Am 16. Februar war Equal Pay Day, der Tag, an dem Frauen erstmals seit Jahresbeginn im Vergleich zu Männern für ihre Arbeit bezahlt werden. 47 Arbeitstage ohne Bezahlung, das entspricht 18,8 Prozent weniger Gehalt oder jedes achte Jahr unbezahlt arbeiten. Damit liegt Österreich auch deutlich über dem EU-Schnitt (EU-27) von 12,7 Prozent.
Im Job ist es unbedingt notwendig, dass keine Unterschiede mehr nach Geschlechtern gemacht werden. Anderswo ist es hingegen wichtig, auf eben diese zu achten. Gesundheitliche Besonderheiten gehen beispielsweise so weit, dass Frauen eine völlig andere Lebenserwartung als Männer haben: Während diese im Durchschnitt 79,5 Jahre alt werden, leben Frauen um rund fünf Jahre länger. Anders sieht das allerdings schon aus, wenn man die gesunden Lebensjahre betrachtet. Hier haben die Männer, relativ gesehen, die Nase vorne. 2019 waren das bei Frauen 64,7 Jahre, Männern 63,1 Jahre. Damit wären wir auch schon beim Thema Gender Medicine: Bis vor kurzem wurden Männer und Frauen hier über einen Kamm geschoren: Medikamentendosierungen sind generell auf einen 70 kg schweren Mann zugeschnitten und berücksichtigen in keiner Weise hormonelle Unterschiede. Medizinstudierende werden teilweise nur anhand männlicher Anatomie unterrichtet. In weiterer Folge werden Herzinfarkte bei Frauen, da sie ganz andere Symptome haben, weniger oft erkannt. Laut einer kanadischen Studie an 1,3 Millionen PatientInnen haben Frauen, die von männlichen Chirurgen operiert werden, ein um 32 Prozent höheres Risiko zu sterben, als wenn sie von Chirurginnen behandelt werden. Auch die Gefahr, bei Unfällen schlechter geschützt zu sein, ist bei Frauen deutlich höher: Crash-Test-Dummies sind durchwegs männliche Puppen. Daneben gibt es auch weniger dramatische Auswirkungen des Gender Data Gap, die das Leben erschweren: So können Handys zwar von Männern problemlos einhändig bedient werden, bei Frauen sieht das bei vielen Modellen aber ganz anders aus.
Inwieweit sind diese Themen für motion4kids und unsere Anliegen relevant?
Einerseits interessiert uns die physische Komponente: Wie unterschiedlich sind Mädchen und Burschen, wenn es um Bewegung geht? Tatsache ist, dass es bis zur Pubertät tatsächlich nicht allzu große Unterschiede in der Leistungsfähigkeit gibt: Mit dem Einsetzen der Hormone wird es aber interessant, weil man mit einem zyklusbasierten Training große Fortschritte machen und sich gleichzeitig viele Frustrationen ersparen kann. Generell gilt: Die Leistung ist vor der Periode am geringsten. Je näher zur Periode, desto weniger intensiv sollte trainiert und desto mehr Augenmerk auf die Regeneration gelegt werden. Umfang, Grundlage und Technik sollten in dieser Phase im Vordergrund stehen. Der Zeitraum zwischen Menstruation bis kurz nach dem Eisprung ist hingegen ideal für ein intensives Kraft- und/oder Ausdauertraining. Für den weiteren Lebensverlauf gilt generell: Frauen haben weniger Testosteron, dafür mehr Östrogene und sie bauen beim Sport mehr Fett und weniger Kohlenhydrate ab. Der tatsächliche Leistungsunterschied beträgt zehn Prozent weniger in Ausdauersportarten und 15 bis 20 Prozent in Schnellkraftsportarten. Der Grund dafür liegt auch in der unterschiedlichen Körperzusammensetzung: Frauen haben durchschnittlich 23 bis 35 Prozent Muskelanteil gegenüber Männern mit 32 bis 45 Prozent und der Fettanteil des weiblichen Körpers liegt bei 22 bis 37 Prozent, beim männlichen 9 bis 24 Prozent.
Ein anderer relevanter Aspekt ist die psychische Komponente. Die größte europäische Kinder- und Jugendgesundheitsstudie, HBSC-Studie (Health Behaviour in Schoolaged Children), erhebt alle vier Jahre in 51 Ländern - unter anderem in Österreich - Daten zum Gesundheitszustand. Vor kurzem wurden die Ergebnisse aus dem Schuljahr 2021/22 von 7.099 SchülerInnen der Schulstufen 5, 7, 9 und 11 veröffentlicht. Wie schon vermutet, hat sich deren psychische Gesundheit seit Corona deutlich verschlechtert. Besonders auffällig sind auch hier die geschlechtsspezifischen Unterschiede: Mädchen klagen viel öfter über Gereiztheit, Nervosität, Zukunftssorgen, Einsamkeit und Angstzustände. Das schlägt sich auch in der allgemeinen Lebenszufriedenheit nieder: 31 Prozent der Mädchen geben an, mit ihrem Leben nicht sehr zufrieden zu sein. Bei den Burschen sind es hingegen nur 19 Prozent.
Ein Projekt aus dem motion4kids Freundeskreis, das speziell Augenmerk auf Mädchen und ihre Bedürfnisse legt, ist „Daughters and Dads Active and Empowered (DADAE)“. Hier probieren Väter und andere männliche Bezugspersonen mit ihren Mädels Fußball, Basketball oder Baseball, Aktivitäten, bei denen Töchter oft zu kurz kommen. Auch psychisch erfahren die Mädchen in Gesprächen über Rollenbilder und Selbstwertgefühl Unterstützung. Die Idee kommt ursprünglich aus Australien, in Österreich wird sie von der Sportunion angeboten.
Also: Hinschauen, unterstützen, stärken. Dort, wo es Sinn macht, gleich behandeln. Dort, wo es wichtig ist, die Unterschiede erkennen.
Mag. Barbara Fisa, MPH, studierte erst Handelswissenschaften bevor sie ihre Leidenschaft für Sport, gesunde Ernährung und Entspannung zu Public Health brachte. Sie versteht sich als Vermittlerin von Wissenschaft, ist Beraterin, Keynote-Speakerin und Autorin („Raus aus der Pflegefalle“ gemeinsam mit Prof. Dr. Bachl und Dr. Biach im Springer Verlag; link.springer.com/book/10.1007/978-3-662-63396-0). Sie arbeitet an Systemen zur Förderung eines gesunden Lebensstils für Menschen nach der Pensionierung, dem „Best Agers Bonus Pass“, und berät die Stiftung motion4Kids. Nähere Informationen unter thehealthychoice.at