Es ist November und damit beginnt die dunkle Zeit des Jahres. In der Früh ist es dunkel, am Nachmittag dämmert es schon wieder, dazwischen häufen sich Tests, Schularbeiten, Referate. Die nächsten Ferien, die nächsten Highlights, selbst die Adventszeit und Weihnachten, scheinen in weiter Ferne. Eine Zeit, die es nicht leicht macht, optimistisch und fröhlich zu sein oder rauszugehen und Freunde zu treffen, Sport zu machen.
Natürlich war das schon immer so, aber dieses Jahr kommt noch eine neue Komponente ins Spiel. Seit Corona, seit den Lockdowns kämpfen vor allem Kinder mit massiven Nebenwirkungen: Flächendeckende Schließungen von Bildungs- und Betreuungseinrichtungen sowie fehlende Sport- und Bewegungsmöglichkeiten werfen auch weit über die tatsächlichen Lockdowns hinaus ihre Schatten. Eine Studie aus Deutschland zeigt auf, dass 2020 rund 60 Prozent mehr Mädchen und Jungen unter siebzehn Jahren wegen Adipositas behandelt wurden als 2019. Zehn Prozent mehr Kinder wurden wegen Bulimie und Anorexie stationär betreut. „Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie hätten „deutlich negative Effekte“ auf die Kinder- und Jugendgesundheit gehabt, sagte der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Dr. Thomas Fischbach. „Diese Negativeffekte werden nicht so schnell auszugleichen sein.“.[1]
Aber wie kommt es dazu? In den Lockdowns gab es für die Kinder einen Mangel an Abgleichmöglichkeiten mit der Realität: Sie gingen nicht in die Schule, fuhren nicht mit der U-Bahn, sahen auch keine anderen Kids in der Umkleide beim Sport. Stattdessen sahen sie mit Filtern bearbeitete Fotos und Videos, die ausschließlich die besten Momente, die Highlights aus dem Leben anderer Personen zeigten. Viele Influencer geben Einblick in ein gesundheitlich bedenkliches Verhalten, gerade ernährungs- und sporttechnisch. Gleichzeitig sind die Kids mit der momentanen „Gönn dir“-Mentalität konfrontiert, der Druck steigt, mithalten zu können und der gefüllte Kühlschrank ist gleich ums Eck. Gerade die kürzlich aufgekommenen Vorwürfe gegen die Zuckerberg-Unternehmen zeigen, welchen Einflüssen unsere Kinder tagtäglich oft mehrere Stunden ausgeliefert sind. Sie finden sich in einem dauernden Spannungsfeld zwischen „Gönnung“ bzw. Perfektion und Askese. Daraus resultieren Selbstverletzungen, Essstörungen und Sportsucht.
Diese Situation stellt Eltern und Freunde vor eine große Herausforderung. Was kann man gegen diese Entwicklung tun? Der Schlüssel liegt in der Selbstakzeptanz. Aber was bedeutet das? Uns selbst zu lieben, egal was wir tun? Gar nicht mehr an die eigenen Grenzen zu gehen?
Es geht nicht darum, keine Ziele zu haben, sich nicht weiter entwickeln zu wollen. Es geht darum, sich zu fragen, wo diese Ziele herkommen. Ob sie tatsächlich die eigenen sind, oder ob sie uns vielmehr von TikTok oder Instagram suggeriert wurden. Und zu akzeptieren, dass wir nicht perfekt sind und es auch nie sein werden. Es geht darum, gut genug zu sein.
Was hilft sind Achtsamkeit, Freude und Dankbarkeit. Das hat nichts mit dem „Danke“ aus Höflichkeit zu tun. Es geht um Dankbarkeit als Quelle von Freude, von Positivem und des eigenen Wohlbefindens. Dankbarkeit setzt das Leben in Perspektive und hilft bei der Wahrnehmung von Selbstwirksamkeit, also der Möglichkeit, die Kontrolle über unser Leben zu haben. Sie hilft uns zu verstehen, was uns Freude macht, was für uns wichtig ist. Das erleichtert Entscheidungen und lässt einen das Leben aktiv gestalten. Eine gute Möglichkeit Dankbarkeit zu „trainieren“ ist beispielsweise ein Abendritual. Sie können selbst damit beginnen, was ihr schönstes Erlebnis des Tages war, wofür Sie dankbar sind. Und dann ihr Kind bitten, seines zu erzählen. Für größere Kinder, Kinder, die das Herz nicht so auf der Zunge tragen, eignet sich ein Dankbarkeitstagebuch. Man kann die Momente auch in einer kleinen Meditation suchen und finden: Augen zu, Musik an und nochmal den Tag Revue passieren lassen. Nicht zuletzt stärkt Dankbarkeit die soziale Verbundenheit. Zwischen Ihnen und Ihren Kindern und zu Mitmenschen, denn oft genug erzählen die Dankbarkeitserlebnisse von Freundschaft oder anderen zwischenmenschlichen Interaktionen.
Wenn man weiß, was einen glücklich macht, kann man diese Dinge auch aktiv in den Tag einbauen, Kontakte mit Freunden stärken, öfter mal einen Kuchen backen. Oft kommt es auch vor, dass an einem Tag, an dem es sonst nicht so viele gute Momente gab, es der Sport war, der zum Highlight wurde. Und auch der lässt sich perfekt selbst organisieren – zum Beispiel mit einer Aktivität von motion4kids – so hat man sicher etwas, wofür man am Ende des Tages dankbar ist!
Mag. Barbara Fisa, MPH, studierte erst Handelswissenschaften bevor sie ihre Leidenschaft für Sport, gesunde Ernährung und Entspannung zu Public Health brachte. Sie versteht sich als Vermittlerin von Wissenschaft, ist Beraterin, Keynote-Speakerin und Autorin. Im Oktober erscheint ihr Buch „Raus aus der Pflegefalle“ gemeinsam mit Prof. Dr. Bachl und Dr. Biach im Springer Verlag. Sie arbeitet an System zur Bewegungsförderung für Menschen nach der Pensionierung, dem „Best-Agers-Bonuspass“ und berät die Stiftung Motion4Kids. Nähere Informationen unter thehealthychoice.at
[1] www.aerztezeitung.de/Politik/Bulimie-und-Rhinitis-Corona-laesst-die-Juengsten-leiden-422674.html